1. Januar 2009

High School Musical: Kreisch mal wieder

High School Musical: Kreisch mal wieder

Diese sechs jungen Schauspieler kannte vor drei Jahren noch kein Mensch. Heute kollabieren weltweit Minderjährige beim Anblick der Stars aus der Film-Trilogie High School Musical. Ihr Arbeitgeber Disney scheffelt Millionen. Wie konnte es so weit kommen?


Humuhumunukunukua' pua'a. Zac Efron. Klingt nach Bruchstücken einer Geheimsprache, wie sie Kinder gerne erfinden, um sich von den Erwachsenen abzugrenzen. Wer keine pubertierenden Töchter hat oder zumindest weibliche Patenkinder, für den ist die Welt von "High School Musical" - aus der die seltsamen Wörter stammen - tatsächlich eine Terra incognita. Ein Musicalfilm, der auf einer High School spielt und Mädchen in Kreischsägen verwandelt? Das war doch was, vor vielen Jahren, mit John Travolta und Haartolle und "Grease". Während andere Teenie-Phänomene wie Tokio Hotel oder die Gebrüder Ochsenknecht inzwischen mit Gelassenheit ertragen werden, löst der Rummel um Humuhumu und Zac immer noch Stirnrunzeln aus. Und ungläubiges Staunen.

Verantwortlich für die Aufregung ist Disney, genauer: ein vom Disney Channel produzierter Fernsehfilm, der in den USA im Januar 2006 Premiere feierte und später auf DVD veröffentlicht wurde. Die Handlung? Tropft vor Klischees und ist so übersichtlich wie ein Pausenhof in den großen Ferien: Mädchenschwarm und Sportskanone Troy (Zac Efron) verliebt sich in die Mathe-Streberin Gabriella (Vanessa Hudgens) und entdeckt an ihrer Seite seine Leidenschaft fürs Musicaltheater. Troys Vater, der Basketballtrainer der Schule, und die jeweilige Clique (Corbin Bleu, Monique Coleman u. a.) finden das komplett uncool. Und die bisherigen Star- Entertainer der Schule, der Paris-Hilton- Verschnitt Sharpay (Ashley Tisdale) und ihr Zwillingsbruder Ryan (Lucas Grabeel) wollen den Newcomern nicht so einfach die Bühne überlassen. Am harmonieseligen Ende schließen die verschiedenen Lager der Jugendkultur Frieden

Entwicklung zur globalen Marke
Genug Raum also für opulente Tanz-und Singeinlagen und hemmungsloses Anschmachten in graffitifreien, blank gewienerten Gebäuden ohne Metalldetektoren und Drogenhandel - einem Ambiente, von dem US-Pauker nur träumen. Die beiden Fortsetzungen, Teil 3 schaffte sogar den Sprung ins Kino, spielen mal in einem Ferienklub mit Golfplatz und Pool, mal in der bereits vertrauten Schule und variieren dieses Grundgerüst nur unwesentlich. Die Kids wollen trotzdem oder gerade deswegen immer mehr davon. "High School Musical", von Fans gern zu HSM abgekürzt, hat sich zur globalen Marke entwickelt. Eine Marke, die mit überwältigenden Bilanzen glänzt. Mehr als 250 Millionen Zuschauer kennen die Film-Trilogie, die DVDs finden reißenden Absatz. Die Soundtrack-CDs des ersten und zweiten Teils, unter anderem mit dem Humuhumu-Ohrwurm, waren 2006 und 2007 die bestverkauften Alben des Jahres - weltweit! Allein neun Singles landeten in Folge in den Top 100 der US-Billboard-Charts, ein Rekord fürs Guinness-Buch.
High School Musical: Kreisch mal wieder

Für die Walt Disney Company, die auch weitere frisch gebackene Teenie-Idole wie Miley Cyrus oder die "Jonas Brothers" unter Vertrag hat, ist das Überflieger-Klassenzimmer inzwischen lukrativer als "Fluch der Karibik". Der erste HSM-Fernsehfilm kostete lächerliche vier Millionen Dollar, ein Betrag, für den Johnny Depp vielleicht mal kurz die Augenklappe lüpfen würde. Insgesamt erwirtschaftete die musikalische Romeo-und-Julia-Adaption bisher mehr als eine Milliarde Dollar, ergänzt durch eine Buchreihe, Bühnen- und Eisshows sowie Fanartikel von der Haarbürste über den Schlafanzug bis zum Schaukelstuhl. Da Efron und Hudgens auch in der Realität liiert sind, gibt es zudem genug Futter für die Klatschpresse.


Sehnsucht nach einer heilen Welt
Experten aller Lager rätseln unterdessen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. "Endlich hat jemand begriffen, dass nicht nur Jungs Filme lieben", meint der Chef der amerikanischen Kinozahlen- Analysefirma Media By Numbers und schwärmt von jungen Mädchen als den neu entdeckten Umsatzbringern. Für Tom Junkersdorf, Chefredakteur der Teenie-Bibel "Bravo", sind Efron und Hudgens die "Brad Pitts und Angelina Jolies der Generation Schule". Deren Aufstieg erklärt er mit der Sehnsucht nach einer heilen Welt, in der Schulen noch sauber seien und das Gemeinschaftsgefühl noch zähle. Sebastian Niemann, Produktmanager für die HSM-CDs, lobt die "unvergleichbare emotionale Aufladung der Songs". Durch Themen wie Selbstfindung, erste Liebe oder Zukunftsängste würden sie für Teenager zum "Soundtrack ihres Lebens". Und Arne Schmidt, Sprecher der Cinemaxx-Kinogruppe, erwähnt gleich noch das andere Erfolgsmusical des Jahres, wenn er HSM als "Mamma Mia! für Teenager" preist.

Man könnte das bonbonbunte Musikspektakel aber auch als Hollywoods verjüngte Antwort auf Bollywood verstehen - und auf das Bedürfnis des hormondurchfluteten Pubertätspublikums nach einer Welt abseits des sexuell aufgeladenen Alltags. Wo sonst im Kino wird mit so viel Hingabe getanzt, gesungen, gesäuselt? Wo sonst kommt romantische Liebe ohne einen Hauch erotischen Begehrens aus? Komplett keimfrei treten auch die anderen dauergrinsenden Darsteller auf. In dieser High School sind alle dünn, immer top gestylt und extrem talentiert. Das einzige etwas molligere Mädchen platzt schier vor guter Laune. Und Bücher dienen vor allem dazu, sie dekorativ durchs Bild zu tragen.


Gar nicht so prüde
Nach den Alkoholexzessen von Lindsay Lohan oder dem Scheidungskrieg von Britney Spears bietet HSM offenbar das perfekte Kontrastprogramm. Werden hier dunkle Geheimnisse gebeichtet, drehen die sich um die unterdrückte Zuneigung zu Crème brûlée oder zum Cellospiel. Als kürzlich im Internet dann doch gar nicht prüde Fotos von Hudgens auftauchten, entschuldigte sich die 20-Jährige überschwänglich. Und Disney vergab den medienwirksamen Ausrutscher nonchalant: "Wir hoffen, Vanessa hat eine wertvolle Lektion gelernt." Bloß nicht der Zielgruppe die Heldin wegnehmen. Falls die Lust am kreuzbiederen HSM irgendwann nachlässt: Der nächste Hype steht bereit: Camp Rock. Demi Lovato. Klingt auch wie eine Geheimsprache.

Quelle: stern.de

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